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    07.11.2002

    Pharoah Sanders Group

    „The greatest saxophonist“ and „spiritual voice“

    Im Herbst 2002 alle wichtigen Jazz-Termine in Leipzig wahrzunehmen, dürfte selbst für Fanatiker schwer sein. Nicht nur zum 26. Leipziger Jazzfestival vom 25. bis 28.09.02 waren Highlights zu erleben. Vom 04. bis 07. November ging der SPIZZ mit dem Leipziger Herbst Jazz Fest in eine weitere Offensive. Einen Termin, den man nun aber unbedingt wahr nehmen musste, war ‚The Pharoah Sanders Group’ im SPIZZ mit ihrer „rockig-bluesigen Funkschlacht“ (Jazzkalender November 2002).

    „The greatest saxophonist“ and „spiritual voice“ Pharoah Sanders, der mehrere Jahre bei John Coltrane im Line up zu verzeichnen war, erwärmte „the greatest guitar player on the planet“ Jean-Paul Bourelly, „the great Matt Garrison on bass“ und „god“ Drummer Will Calhoun für sein Projekt, eine edle Auswahl!

    Fast verträumt begannen Panflöte (Pharoah Sanders) und Flöte (Will Calhoun) ihr Spiel, das zusammen mit Bass und Gitarre in einen getragenen, gefälligen Song überging, dem es an jazzigen Details keineswegs mangelte. Zum beruhigenden Gesang Bourellys ließ Calhoun das Hi-Hat mit kleinen Fills zart klingen. Er war mittlerweile an sein Drumset gewechselt, von wo aus er eine mäßige Steigerung mitlancierte.

    Nach dieser gelungenen Einstimmung griff Mister Sanders zum Altsaxophon. Es sollte keineswegs anderthalb Stunden lang verträumt bleiben, wenngleich sich die Group niemals in ausufernden Steigerungen verloren hätte. Kraftvoll, sehr dynamisch aber niemals hart wurde gejazzt, experimentiert und improvisiert, bekam der Blues seine edelste Plattform, wurden die Wurzeln und Einflüsse der Musiker deutlich.

    Trotz Sanders Free Jazz Background waren die Titel grundsätzlich sehr melodiös und eingängig, keine endlosen, strapaziösen Tonskalen sind bei Pharoah Sanders zu befürchten. Seine Melodien sind oft beschwingt und leicht, reißen den Zuhörer mit in zauberhafte Klangwelten. Sanders Spiel ist weich und swingend und beruhigt manche quirlige Szene, um die Stücke zu einem befriedeten Ende zu führen. Als er am Ende des zweiten Titels nur noch die Klappen seines Saxophons sprechen ließ, klang das ungefähr so, als hätte er versucht die Farbenwelt eines Indian Summers in Töne zu fassen.

    Der nächste Titel begann vorerst ohne das Saxophon. Mit Blues in der Stimme sang Bourelly schmerzvoll aber ohne jeden Pathos von Liebe und Verlust. Trotz der Polyrhythmik wurde die große Linie deutlich, dafür sorgte Matt Garrisson, der seinen Fünf-Saiten-Bass diszipliniert straight spielte. Im Verlauf des Stückes gesellte sich nun Sanders wieder hinzu. Seine einzigartige Anblastechnik ließ die Töne regelrecht lachen. Zart und nachdenklich lief dieser Titel aus, unterstützt vom Rascheln und Flirren der Besen, mit denen Will Calhoun vorsichtig die Becken und Trommeln klingen ließ.

    Der Weltklasse Drummer, der unter anderem mit dem Buddy Rich Jazz Masters Award geehrt wurde und in den Leser- wie Kritikerwertungen namhafter Musikmagazine wie dem Modern Drummer Magazine mehrfach als bester und progressivster Drummer hervorging, ist gleichzeitig auch Produzent und Songwriter. Seine Vielseitigkeit macht ihn zur gefragten Studio- und Tourbegleitung im Jazz-Bereich wie in der Hard Rock und HipHop Szene. So stand er bei Marcus Miller, BB King und Jaco Pastorious eben so auf dem Lineup wie bei Mick Jagger, oder Run DMC. Mit der Hard Rock Formation ‚Living Colour’ gewann er Grammys sowie internationale Rock Preise.

    Zu seinem Equipment gehörten auch Korg Wave Drums, elektronische Pads, an denen er seine Kreativität sowie seine Engeneering-Qualitäten unter Beweis stellte. Exotische Klänge, dahinfließend wie Wasser, doppelte er elektronisch, um mit sich selbst zu spielen. Variantenreich wurden Soundmöglichkeiten genutzt. Die Rhythmik verzauberte. Jean Paul Bourelly griff hier zur Akustikgitarre. Calhoun wechselte zurück an sein Schlagzeug, während die Elektronik den Grundschlag und den Sound der Wave Drums weiter vorgab. Mit der Handfläche schlug Matt Garrisson rhythmisch die Saiten seines Basses an. Pharoah Sanders führte nun wieder die Band mit dem Saxophon und zog das Publikum hinein in eine andere Welt.

    Im anschließenden zähen schweren Blues wurde nun noch einmal die Panflöte zum Einsatz gebracht. Diese Besetzung mag für den Stil ungewöhnlich erscheinen. In keinem Moment war sie fragwürdig. Sanders, der in seiner Jugend meist schlechtbezahlte R&B-Gigs spielte, vermittelte hier glaubwürdig tiefes Lebensgefühl und entlockte dem Instrument selten genutzte Ausdrucksmöglichkeiten. Am Ende des Stückes wechselte Sanders noch mal an das Saxophon, brachte gesangliche Einwürfe und sprach und sang durch sein Sax. Die bluesigen Gitarrensounds und Riffs, die klagende verzerrte gold sparkeld Tenessie verrieten beste Traditionen, in denen Jean Paul Bourelly steht. Jimmy Hendrix größte Ehre erweisend sang und spielte er den Blues aus tiefstem Inneren, urwüchsig, nicht hochstilisiert, lebendig, traditionsbewusst. Diese Musik macht schwermütig und glücklich zugleich.

    Auch Matt Garrisson hatte in seinen Soli noch ausreichend Gelegenheit, die ganze Bandbreite seines Bass-Spiels zu präsentieren, slappte und tappte und erinnerte mit seinem Sound auch schon mal an arabisches Markttreiben. Der Sohn Jimmy Garrissons (Bassist bei John Coltran), der in einem Umfeld aufwuchs, das sich aus Künstlern verschiedener Sparten zusammensetzte, Musikern, Tänzern, Poeten, trat unter anderem zusammen mit Herbie Hancock, John McLaughlin, The Gil Evans Orchestra oder Chaka Khan auf.

    Die vor Konzertbeginn im Zuschauerraum platzierten Stühle blieben dann doch ungenutzt. Glaubte anfangs mancher, er würde ein solches Möbel benötigen, stellte sich die Situation tatsächlich völlig anders dar. Das Publikum war begeistert und auf keinem Platz zu halten. Minutenlanger Applaus, Pfiffe und vehemente Zugabe-Forderungen konnten allerdings zu keiner Verlängerung erweichen, gegen 23:00 Uhr war definitiv Ende des Konzerts.

    (Quelle: le-nightflight.de)